Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Fürsorge Lobberichs für seine heimgkehrten Krieger -

Seiten 195-198

eisernes Kreuz

Der herzliche Willkommensgruß Lobberichs gelegentlich der Heimkehr seiner Helden, sowie die Veranstaltung eines würdigen Krieger– Ehrentages wäre dem verhallenden Schalle gleich zur achten gewesen, hätten Lobberichs Bürger geglaubt, sich hiermit ihrer Dankespflicht gegen ihre tapferen Söhne entledigt zu haben. Doch das war keineswegs der Fall; vielmehr wollte die Gemeinde in tatkräftiger Unterstützung ihren heimgekehrten Kriegern helfen. Ihre Sorge bezog sich sowohl auf Beschaffung von Arbeitsgelegenheit, als auch auf Unterstützung der Arbeitslosen. Zu diesem Zwecke erschienen nachstehende Bekanntmachungen in „Rhein und Maas“: Arbeitsnachweis! Alle Arbeiter, (Fabrikbesitzer, Landwirte usw.) Behörden und sonstige Kooperationen werden ersucht, alle offenen Stellen unverzüglich der zuständigen Arbeitsnachweisstelle (Rathaus – Zimmer Nr. 2) anzumelden. Die arbeitslosen männlichen und weiblichen Personen wollen sich wegen Zuweisung von Arbeit bei der Arbeitsnachweisstelle melden. Lobberich, den 29. November 1918. Der Bürgermeister. Notstandsarbeiten! Wir stehen vor der feindlichen Besetzung. Da ist es Gebot der Stunde, dass allen zurückgekehrten Kriegern sofort Arbeitsgelegenheit geboten wird. Nur wenn alles wieder an der Arbeit ist, kann das Gemeinwesen in geordnete, friedliche Bahnen geleitet werden. Nichts wäre falscher, als arbeits – und verdienstlos in die kommenden Tage hinein zu gehen. Darum ist es Pflicht eines Jeden, der irgendwelche Arbeiten auszuführen hat, dies anzumelden. Ich bitte, die Anmeldungen auf Zimmer Nr. 2 des Rathauses zu besorgen. Die Landwirte bitte ich, schnellstens überlegen zu wollen, welche Notstandsarbeiten Sie ausführen lassen können. Gerade in der Landwirtschaft gibt es eine Reihe von Notstandsarbeiten (Rodungen usw.). Die hiesigen Textilwerke können infolge Fehlens der Rohmaterialien unmöglich die frühere Belegschaft beschäftigen, sie tun ihr Bestes. Ich richte noch einmal an die gesamte Bürgerschaft die Bitte, alle auszuführenden Arbeiten schnellstens anzumelden, damit geregelte Verhältnisse eintreten. Lobberich, den 29. November 1918. Der Bürgermeister. Anordnungen betreffend Übergangswirtschaft. Der Demobilmachungsausschuss für den Kreis Kempen– Rhein ordnet hierdurch für die Übergangszeit folgendes an: Jeder aus dem Militärdienst Zurückkehrende, der vor Beginn des Krieges im Kreise Kempten- Rhein in Stellung oder Arbeit war, soll von seinem früheren Arbeitgeber, soweit es irgend möglich ist, wieder aufgenommen werden. Solange in einem Betriebe länger als 6 Stunden gearbeitet wird, dürfen Entlassungen nicht vorgenommen werden. Kämpfen– Rhein, den 6. Dezember 1918 Der Demobilmachungsausschuss. Bekanntmachung. Die entlassenen Militärpersonen, welche Anspruch auf einen Reichszug stellen, wollen sich bis 6. Ds. Mts. nachmittags auf dem Rathaus, Zimmer Nr. 10, melden. Sie erhalten zunächst nur dann einen Anzug, wenn sie sofort bei der Anmeldung einen brauchbaren Militärmantel abgeben. Die Gemeinde lässt den Mantel färben und aus ihm Rock und Weste herstellen. Lobberich, den 4. Dezember 1918. Der Bürgermeister. Bekanntmachung. Dem Kreise steht aus beschlagnahmten Papiergarnstoffen allerbestes Beschaffenheit eine größere Anzahl Arbeitsanzüge als Ersatz für Blauleinenanzüge zur Verfügung. Die Anzüge sind äußerst haltbar und es ist, da Anzüge aus anderen Stoffen vorerst nicht zu haben sind, ihre Anschaffung sehr zu empfehlen. Die Hosen können auch als Schutzhosen für landwirtschaftliche Arbeiter gebraucht werden. Der Preis wird sich zwischen 14 und 18 Mark je Anzug stellen. Bestellungen werden bis zum 13. Dezember 1918 vormittags erbeten. Lobberich, den 6. Dezember 1918. Der Bürgermeister. Die Not eines großen Teiles der Bürgerschaft stieg von Tag zu Tag, sodass sich die Gemeinde veranlasst sah, hier helfend einzuschreiten, indem sie die Notleidenden finanziell unterstützte. Männliche Unterstützungsberechtigte von 14 bis 15 Jahren erhielten

Unterstützungstabelle

Arbeitslosen– Bewegung.

Leider konnte die Arbeitsbeschaffung für die heimgekehrten Krieger und die Befriedigung der Arbeitslosen trotz aller Bemühungen der Gemeinde nicht so schnell gefordert werden, dass sie eine stürmische Arbeitslosen– Bewegung hätte verhindern können. Diese setzte am 10. Dezember 1918 ein und brachte ihre Unzufriedenheit in mehreren stark besuchten Versammlungen in Klüttermann´schen Saal zum Ausdruck.

Die Forderungen und Wünsche der Arbeiter zielten in der Hauptsache hin auf die Erhöhung der Unterstützungssätze für Erwerbslose, Entlassung auswärtige Arbeiter in hiesigen Betrieben, demselben Verfahren, wie es ohne Ausnahme denn Lobbericher Arbeiten auswärts erging, weitgehende Einstellung in hiesigen Betrieben, größere finanzielle Beihilfen der beiden hiesigen Firmen zu den Unterstützungssetzen bezw. Entlassung der überschuldeten Gemeinde, ausgedehnte Notstandsarbeiten, keine Verschickung von Arbeiten nach auswärts bei schlechten Kosthäusern und ungenügender Verpflegung und Bezahlung.

Es würde zu weit führen, auf die langen Verhandlungen über diese Punkte einzugehen. Jedenfalls fand die Bewegung eine die Wünsche der Arbeiter zufriedenstellende Lösung. Auch brachten die Versammlungen durch die Aussprache mit einigen General Gemeinde Ratsmitgliedern und Vertretern der Industrie, sowie durch Vorstelligwerden von Abordnungen bei den hiesigen Industriellen gegenseitigen Aufklärungen.

Besonders Verdienst um die ruhige Abwicklung der Bewegung gebührt Herr Bürgermeister Eger, der mit einem Gemeinderatsmitgliedern die Möglichkeiten der gestellten Wünsche in den Versammlungen besprach, Auskünfte und Ratschläge gab und besonders auch zur Ruhe und Besonnenheit ermahnte. Nachdem Herr Bürgermeister in der letzten Versammlung den Anwendungen die Mitteilungen über die vorher gepflogenen erfolglosen Vorstellungen mit den Firmen gemacht hatte, aber zur Beruhigung und als Erfolg der Versammlungen eine Erhöhung der ist strittigen Punkte bei den Unterstützung seitens des Gemeinderats in sichere Aussicht gestellt hatte, konnte er eine kurz vor Schluss eingetroffene erfreuliche Nachricht bekannt geben: „Die beiden hiesigen Großfirmen Niedick& Co. und J. L. de Ball & Co. Nachf. stifteten zur Aufbesserung der Erwerbslosen Unterstützung für Arbeiter ihre Betriebe zu Händen des Bürgermeisters zusammen 125.000 Mark und zwar 75.000 Mark Firma Niedick und 50.000 Mark Firma de Ball. Über die Verwendung der Gelder bestimmt ein Ausschuss besteht aus dem Bürgermeister, zwei Vertretern der Firma und zwei Erwerbslosen Arbeitern.“ Die Versammlung wählte als solche Jakob Hennen und Heinrich Stücken. Diese Nachricht wurde mit Befriedigung aufgenommen und die Versammlung ging in Ruhe auseinander. Damit fand die Arbeitslosen– Bewegung ihr Ende.


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