Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Kriegsbeschädigtenfürsorge -

Buch S. 73

eisernes Kreuz

Die preußische Finanzverwaltung wies im April 1918 die Steuerbehörden darauf hin, daß der § 20 des Einkommensteuergesetzes, der eine Herabsetzung der Steuer bis zu 3 Stufen bei besonders ungünstiger wirtschaftlicher Lage des Steuerpflichtigen zuließ, bei Kriegsbeschädigung zur Anwendung kommen dürfe. Diese Anordnung gab den Kriegsbeschädigten das Recht, die Vorteile des Gesetzes bei ihrer Steuerveranlagung in Anspruch zu nehmen. Die Gemeindeverwaltung legte den größten Wert darauf,daß diese Vergünstigung auch allen Kriegsbeschädigten zugute kam.

Eine hiesige Wohltäterin,ceren Opfersinn sich wiederholt in ähnlichen Fällen bekundete, schenkte einem Lobbericher Beinamputierten einen Fahrstuhl.

Die größte Unterstützung erhielten im Mai 1918 die Kriegsbeschädigten durch die

Ludendorff-Spende.

Ludendorffs Name glänzte über eine neue Mahnung an das deutsche Volk, über die Mahnung, der Männer zu gedenken, die ihre Gesundheit, ihre Glieder für Deutschland verloren hatten.Den Kriegsbeschädigten galt das hochherzige Werk. Allen, die gesund und blühend in den Kampf gezogen waren und herrliche Taten zu Deutschlands Ehre und zu unser aller Wohl verrichtet hatten und die im Tosen der Schlacht wund und krank geworden waren, sollte geholfen werden. Die Glieder, die sie verloren, sollten ihnen durch künstliche ersetzt werden, ihre Krankheiten sollten heilen, ihre Wunden vernarben. Dazu wurde die Ludendorff-Spende geschaffen. Aus allen Teilen Deutschlands strömten Geldsummen zusammen, um den tapferen Helden, unseren Vätern, Söhnen, Brüdern zu helfen, damit jeder einzelne der Tapferen wieder dem wahren Leben, seiner Arbeit zurückgegeben werden konnte. Die Ungezählten, die der Krieg von der Arbeitsstätte fortgerufen hatte und die nun verwundet und krank heimgekehrt waren, sie alle mußten ihrer Tätigkeit wieder zugeführt werden. Ihnen die Heimat, für die sie geblutet haben, wiedergeben, das wollte die Ludendorff-Spende.

Die Versorgung unserer Kriegsbeschädigten ist in erster Linie Aufgabe des Reichs und muß es bleiben. Das Reich konnte und sollte in Erfüllung seiner Pflicht keinesfalls durch eine allgemeine Sammlung entlastet werden.

Aber auch durch weitherzige gesetzliche Regelung der Rentenfragen konnte nicht in jedem Falle so geholfen werden, wie es unserem vaterländischen und sozialen Empfinden entsprach. Sie trug notwendig etwas Schematisches an sich und war in ihrer Starrheit außerstande, dem Bedürfnis und der Dringlichkeit jedes Einzelfalles gerecht zu werden. Es blieben zahlreiche Fälle übrig, bei denen schnellstens geholfen werden mußte, um bittere Not und Verzweiflung abzuwenden. Dies konnte nur durch freiwillige Liebestätigkeit geschehen.

Hier setzte die bürgerliche Liebestätigkeit ein. Sie wollte den Kriegsbeschädigten in das Wirtschaftsleben zurückführen, seine Kraft dem deutschen Volksganzen wiedergeben. Ihr umfangreiches Arbeitsgebiet umfaßte Berufsberatung, Berufsausbildung, Arbeitsbeschaffung, ergänzende Heilbehandlung, Ansiedlung, Wohnungs- und Familienfürsorge sowie Geldunterstützung bei besonderer Hilfsbedürftigkeit.

Auf dem großen Nachbargebiet, der Fürsorge der Kriegshinterbliebenen, waren schon seit Kriegsbeginn gewaltige Summen aus freiwilligen Spenden zusammengeflossen; dank dieser kraftvollen Unterstützung aller Volkskreise verfügte die Nationalstiftung schon über mehr als 100 Millionen Mark für die Witwen und Waisen der gefallenen Krieger.

Den Kriegsbeschädigten sollte das deutsche Volk warme Anteilnahme entgegenbringen. Es wußte, was es den Getreuen schuldete, die mit ihrem Leibe die deutsche Heimat gegen den Ueberfall gedeckt,den Krieg weit hinaus in Feindesland getragen und die Heimat vor Verwüstung und Gewalttat beschützt hatten. Heilige Pflicht war es, denen, die für uns geblutet und gelitten haben, in umfassender Weise zu helfen und überall dort einzugreifen, wo staatlicheHilfe nicht ausreichte, niemals ausreichen konnte. Dieses vaterländische Gebot zu erfüllen, war das Ziel der Ludendorff-Spende. Es handelte sich um nichts Geringeres als um die Wiedererstarkung und Erhaltung unserer Volkskraft nach den zahllosen Wunden, die der furchtbarste aller Kriege unseren Vaterlande geschlagen hatte.

Gewaltige Summen waren erforderlich. Als allgemeine Sammlung im ganzen Reiche wandte sich die Ludendorff-Spende an jeden Deutschen. Verwaltet wurde sie von den im Reichsausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge vereinigten Organisationen der deutschen Bundesstaaten. Die Spenden flossen grundsätzlich den Landesstellen zu, aus denen sie stammten.


Aufruf!

Deutschland kämpft seinen schwersten Kampf; das Ringen drängt zum Ende. Tausende und Abertausende der Kämpfer in Heer und Flotte kehren zurück, die Glieder verstümmelt, die Gesundheit erschüttert. Ihre Kraft dem deutschen Wirtschaftsleben zurückzugewinnen, ihre Zukunft zu sichern, ist Dankespflicht der Heimat. Die Rentenversorgung liegt ausschließlich dem Reiche ob. Soziale Fürsorge muß sie ergänzen. Sie auszuüben sind die im Reichsausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge zusammengefaßten Organisationen berufen. Das gewaltige soziale Werk auszubauen, ist das Ziel der

Ludendorff-Spende!

Darum gebt! Macht aus sorgenvollen Opfern des Krieges freudige Mitarbeiter an Deutschlands Zukunft! Ehret die Männer, die für uns kämpften und litten! Nur wenn alle zusammenstehen, wird das hohe Ziel erreicht.

v. Hindenburg, Dr. Graf v. Hertling, Generalfeldmarschall Reichskanzler

v. Stein, Dr. Kaempf, Kriegsminister, General der Artillerie Präsident des Reichstages

Der Ehrenvorsitzende:

Ludendorff, Erster Generalquartiermeister, General der Infanterie.


Männer und Frauen des Kreises Kempen-Rhein!

Inmitten des Krieges genießt Ihr den Segen Eurer Arbeit, die Ihr täglich verrichten dürft!

Ihr genießt das Glück der Feierabendstille, die Euch Erholung gibt!

Ihr genießt den erquickenden Schlaf, dem Ihr Euch ungestört hingeben könnt!

Da draußen aber ist Feindesland:

Da gedeiht keine Arbeit, da fehlt dem Menschenwerk des Himmels Segen!

Da krönt kein froher Feierabend des Tages Mühe!

Da senkt sich kein lindernder Schlummer auf die Lider des Müden!

Denkt daran und danket denen, die über die Heimat wachten, daß Ihr ungehindert arbeiten, feiern und ruhen könnt!

Gebt reichlich für die Ludendorff-Spende!

Unter Führung des Unterzeichneten sind in jeder Bürgermeisterei Ortssammelausschüsse mit dem zuständigen Bürgermeister an der Spitze gebildet worden. Dieser wird in seinem Bezirk für die Durchführung der allgemeinen Sammlung in der Zeit vom 1. bis 7. Juni 1918 mit Opfertagen am 1. und 2. Juni 1918 Sorge tragen.

Gabennehmen jetzt schon entgegen:

Die Gemeindekassen oder die Gemeindesparkassen sowie die Kreissparkasse Kempen (Rh.)

Kempen-Rhein, den 23. Mai 1918

Der Vorsitzende des Kreiswohlfahrtsamtes:

von Hartmann-Krey, Königl. Landrat


Im Anschluß an den vorstehenden Aufruf gebe ich bekannt, daß hier am kommenden Sonntag, dem 2. Juni 1918, eine

Büchsensammlung

auf den Straßen und in den ersten Tagen der kommenden Woche eine

Sammlung von Haus zu Haus

stattfinden wird.

In Anbetracht des großen sozialen Zweckes der Spende empfehle ich sie der so oft bewährten Opferfreudigkeit der Eingesessenen auf Wärmste.

Lobberich, den 31. Mai 1918

Der Bürgermeister: Eger.


Ein ganz neuer Grundsatz war für die Verteilung der durch die Ludendorff-Spende zusammengebrachten Gelder aufgestellt worden. Sie flossen nicht, wie das bei anderen Sammlungen üblich war, in einen Zentralfonds, um von da aus wieder über das deutsche Reich verteilt zu werden, sondern sie blieben von vornherein in dem Landesteil, in dem sie gesammelt worden waren. Jeder Spender hatte also die Gewißheit, daß seine Gaben denjenigen Kriegsbeschädigten zugute kamen, die ihm am nächsten standen. Nur ein Bruchteil der gesammelten Gelder, nämlich 15 %, wurde an die Zentralstelle abgeführt und bildete einen Ausgleichfonds für diejenigen Landesteile, in denen infolge ärmerer oder weniger zahlreicher Bevölkerung das Ergebnis hinter anderen Landesteilen zurückblieb.

Die Aufgaben, die mit den gesammelten Mitteln zu lösen waren, umfaßten in Ergänzung der staatlichen Fürsorge die Fortsetzung der Heilbehandlung, die Berufsausbildung, die Arbeitsbeschaffung und vor allem aber in gewissen Fällen die Gewährung von Bargeldunterstützungen. Die Notwendigkeit hierzu hatte sich auf Grund der bisherigen Kriegserfahrungen herausgestellt. Es galt, dem Kriegsbeschädigten mit seinen Angehörigen über die Zeit hinwegzuhelfen, in der er für seinen Beruf wieder tauglich gemacht wurde; es galt ferner, ihm Arbeitsgerät und Arbeitskleidung zu verschaffen, falls er sich einem neuen Berufe zuwenden wollte; weiter galt es, dem einen oder anderen das Kapital vorzustrecken, mit dessen Hilfe er sich selbständig machen konnte. In zahllosen Fällen hing die Wiederaufrichtung des Berufes des Kriegsbeschädigten davon ab, daß ihm eine gewisse Geldsumme zur Verfügung gestellt werden konnte.

Gerade diese segensreiche und notwendige Art der Unterstützung erforderte bekanntlich außerordentlich große Mittel.

Lobberichs Opferfreudigkeit bewährte sich bei der Ludendorff-Spende wieder einmal hervorragend.

Die Haus- und Büchsensammlung ergab

4200.-

Mark
Es zeichneten weiter größere Beträge:
Fräulein Luzie Niedieck

2000,--

"

Herr Geheimer Kommerzienrat van der Upwich

5000,--

"

Herr Anton van der Upwich

5000,--

"

Herr Carl van der Upwich

1000,--

"

Herr Carl Niedieck

4000,--

"

Herr Josef Krey

500,--

"

Ungenannt

500,--

"

An kleineren Beiträgen gingen ein

177,20

"


zusammen: 22377,20 Mark

Die Sammeltätigkeit für die Ludendorff-Spende im Kreise Kempen hatte ein erfreuliches Ergebnis und zeigte aufs Neue den Opfersinn der Kreiseingesessenen.

Bis 1. August 1918 waren im Kreise eingegangen 222 660,91 Mark, wovon, wie bereits erwähnt, die Gemeinde Lobberich 22 377,20 Mark aufgebracht hat.

Im November 1917 wurde in Lobberich eine Ortsgruppe der Kriegsbeschädigten unter dem Vorsitze des Herrn Bousardt gegründet.

In der Monatsversammlung der Kriegsbeschädigten im Monat Juni 1918 gab der Vorsitzende bekannt, daß folgende Stiftungen eingegangen seien:

Herr Geheimer Kommerzienrat van der Upwich 1000,-- Mark
Herr Anton van der Upwich 1000,--

"

Ungenannt 1000,--

"

Sehr erfreuliche Nachrichten konnte der Vorsitzende in der Monatsversammlung im September 1918 von den weiter eingegangenen Stiftungen des Herrn Carl Niedieck im Betrage von 1000,- Mark und des Herrn Rentners Josef Walters in Breyell von 1000,- Mark geben. Die Zahl der angemeldeten Ehrenmitglieder betrug 87. Die eingegangenen Ehrenmitgliedsbeiträge beliefen sich auf 500 Mark. In derselben Sitzung nahm die Versammlung Kenntnis von dem errichteten Reserve-Unterstützungsfonds im Betrag von 4 150,- Mark, der jedoch nicht vor Kriegsende in Anspruch genommen werden sollte. Die Ortsvereinigung verfügte bereits kurz nach ihrer Gründung über ein Kapital von 5 000 Mark an Stiftungsgeldern, die aus allen Teilen der Bürgerschaft gespendet waren.

Hieraus ist zu ersehen, daß der Ortsvereinigung volles Verständnis entgegengebracht wurde. Die Gelder dienten nur für die Unterstützung einheimischer Kriegsbeschädigter.


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