Neue "Königin der Instrumente" hat fast 4000 Pfeifen


Freitag, 20. Oktober 1967

Am Christkönigsfest 29. Oktober, wird die Orgel in St. Sebastian festlich geweiht

Lobberich. Am Christkönigsfest, am 29. Oktober, wird im Rahmen einer kirchenmusikalischen Feierstunde die neue Orgel der katholischen Pfarrkirche eingeweiht. Nach langer Zeit wird an diesem Tage zum 1. Mal wieder voller Orgelklang durch die weite Halle von St. Sebastian klingen. Fortan wird die neue Orgel die betende und opfernde Gemeinde der Gläubigen durch das liturgische .Jahr begleiten. Der Tag der Weihe ist ein besonderer Freudentag für die Pfarrfamilie. Mit Stolz kann sie auf das Gelingen dieses Werkes blicken. Ein Werk wurde vollendet, daß beweist, daß auch in unserer Zeit für den Ruhm und die Ehre des Höchsten das Beste gerade gut genug ist.

Etwa um 1903 hatte die Pfarrkirche ihre erste Orgel erhalten. Am Weichnachtsfest 1962 hörten wir ihre Klänge zum letzten Mal. Schon vor der Mette hatten sich Schwierigkeiten eingestellt. Am 2. Weihnachtstag versagte die Orgel völlig, auf die schon lange kein Verlaß mehr war. Ein Harmonium tat lange seine Dienste. Festlicher Orgelklang fehlte in den Gottesdiensten. Die Pfarrfamilie wird das besonders an den Hochfesten des Kirchenjahres empfunden haben. Die alte Orgel hatte durch Kriegseinwirkungen stark gelitten. Eine Reparatur war unmöglich geworden. 20 Granaten hatten das Gotteshaus getroffen. Eine Granate traf den Frauenturm, in dem das Gebläse der Orgel untergebracht war. Der Blasebalg wurde völlig zerstört; die große Ostrosette über der Orgelempore war ohne Glas, so konnten Regen und Schnee in die Orgel eindringen. Es wurden nur wenige noch erhaltene Register gespielt. 60 Jahre tat die alte Orgel ihre Dienste. Das ist für eine Orgel ein sehr kurzes Leben.

Unter den beschriebenen Voraussetzungen aber bleibt es dennoch erstaunlich, daß die alte Orgel solange zur' Verfügung stand.

Das 40-jährige Priesterjubiläum von Dechant Werth gab den Anlaß, an die Errichtung einer neuen Orgel zu denken. Nach großer Mühe gelang es, dem Dechant zu seinem Festtag einen Scheck zu überreichen, der die Anschaffung der neuen Orgel ermöglichte. Lange Zeit zog ins Land bis zur Vollendung des Werkes. Nun aber ist die Freude um so größer, weil es gelungen ist, eine Orgel von echter Schönheit zu bauen.

In Gemeinschaftsarbeit der Orgelbauer Lorenz und Koch., wurde das neue Orgelwerk in der Merksteinen Orgelbauanstalt St. Willibrord hergestellt und nach mühevoller. Arbeit auf der erweiterten Orgelbühne vollendet. Unsere Zeit ist von Nüchternheit: bestimmt. Sie verzichtet gerne auf großartige Verzierungen. Verzierung ist. ihr das Klare und das Einfache. Diese Tendenz bestimmte die Architektonik des neuen Orgelwerkes. Das Werk präsentiert eine schlichte Schönheit. In klarer Linienführung bieten sich dem Auge die Einzelteile dar.

Die beiden. Teile des Hauptwerkes und des Pedals schmiegen sich rechts und links um die große Rosette. Während die alte Orgel die Rosette zum Teil überdeckte, gibt die neue Orgel die ganze Rosette frei und stimmt mit ihr harmonisch zusammen.. Die Linie der Oberkante des Gehäuses schwingt sich zwei Parabelästen gleich in die Höhe und geht ins „Unendliche".

Beide Teile des Haupt- und Pedaiwerkes verbindet. das Brustwerk. Diesen Teil könnte man auch ihrem häufigen Gebrauch entsprechend als Chororgel bezeichnen. Das Rückpositiv an der Orgelbrüstung paßt sich glänzend dem Gesamtrahmen ein. Der silberne Glanz des Orgelprospektes - so nennt man das Gesamtbild der sichtbaren Pfeifen - läßt schon den Glanz und die Klarheit der Pfeifenklänge ahnen. Von einem beweglichen Spieltisch aus, der praktisch, nicht pompös eingerichtet ist, wird. das Werk bedient.

Die Beweglichkeit des Spieltisches bringt besondere Vorteile bei festlichen Anlässen, wenn der Chor den Gottesdienst mitgestaltet. Der Spieltisch kann dann so gestellt werden, daß der begleitende Organist die beste Sicht zum. Dirigenten und zum Altar hat. Am Spieltisch sind 3 Manuale (Klaviaturen) übereinander angeordnet; ein Manual für das Hauptwerk; ein Manual für das Brustwerk, ein Manual für das Rückpositiv. hinzu kommt das in. erster Linie den Baßtönen vorbehaltene Pedal.

Erfreulich ist es, daß jedes der 3 Manuale für den Orgelspieler leicht zu erreichen ist. Mit Hilfe der Registerzüge kann der Organist die 4000 Pfeifen in den verschiedenen Klangfarben und -verbindungen ertönen lassen.

Die neue Orgel in St. Sebastian ist fertig. Endlich. Denn vor vier.Jahren, im Herbst 1963, wurde der Bau der Orgel in Auftrag gegeben. Unerwartete Schwierigkeiten traten auf so mußte die Orgelbühne erweitert werden. Die lange Wartezeit bat dem neuen Bauwerk aber keinen Abbruch getan. Sehr viel schöner als früher präsentieren sich nun Orgel und Bühne dem Betrachter. Die Rosette wurde durch die großen Pfeifen nicht verdeckt, die Orgelbauer verstanden es vielmehr, sie im Halbkreis anzuordnen. Die Pfarrgemeinde ist gespannt, wie diese Orgel nun in der Kirche klingt. Aufn.: Photobrock

Die Weiterleitung des Tastendruckes vom Spieltisch einer Orgel zur Windlade besorgt die Traktur, die ursprünglich mechanisch, später pneumatisch und heute meist elektrisch funktioniert.

So ist auch die neue Orgel elektrisch gesteuert. Die elektrische Traktur bietet viele Spielhilfen:

  1. Kombinationszüge, durch die Registerzusammenstellung in dynamischer Abstufung eingeschaltet werden können.

  2. den Rollschweller (Crescendowalze), der die Register in fortlaufendem Crescendo und Piminuendo ein- und ausschaltet.

  3. den Schwelltritt, der die Türen eines Holzkastens in Bewegung setzt, in dem sich das Schwellwerk befindet, und damit dynamische Veränderung der registrierten Klangfarbe bewirkt.

Von der Länge und dem Durchmesser der Pfeifen hängt die Tonhöhe ab. Kurze Pfeifen klingen hoch, lange Pfeifen tief, gedeckte Pfeifen eine Oktav tiefer als offene Pfeifen gleicher Länge. Den Klangcharakter bestimmen das Material, Gestalt und Mensur des Pfeifenkörpers und der Aufschnitt. Als Material für diese Orgel wurden Zinn, Kupfer, Orgelmetalle und Holz verwendet. Die größte Pfeife ist etwa 6,50 lang und hat einen Durchmesser von 25 cm. Die kleinsten Pfeifen haben die Größe einer kurzen dünnen Stricknadel.

Jede größere Orgel enthält Lippen- und Zungenpfeifen. Lippenpfeifen klingen wie Flöten.Zungenpfeifen haben den Klang eines Akkordeons. Bis zu rund 10 Registern mit etwa 600 Pfeifen spricht man von einer kleinen, Orgel. Das Rückpositiv an der Brüstung der Orgelbühne hat 10 Register aufzuweisen. Es ist also schon eine Orgel.. Mit 51 Registern gehört die neue Orgel zu den großen Orgeln. Bei der Größe des Kirchenraumes mußte die Orgel diese Maße haben.

Die Orgel ist das königliche Instrument. Ein tiefer Sinn liegt darin, daß ihre Weihe am Königsfest stattfindet. Die Orgel, das schönste und wertvollste Instrument, das Menschengeist schuf, soll helfen, den Ruhm und die Ehre Christi, des Königs aller Könige, würdiger zu vollbringen.

Schiller sagt von der Glocke, daß sie selbst herzlos und ohne Gefühl ist, daß sie mit ihrem Schwunge aber des Lebens wechselvolles Spiel begleite. Auch die Orgel ist selbst ohne Herz und gefühllos. Ihr Klang aber rührt an das Herz des Menschen und reißt es mit, in. den Lobpreis des Höchsten einzustimmen.

So wird die neue Orgel eine Brücke und ein Verständigungsweg zwischen Gott und der betenden und opfernden Gemeinde sein. Die Orgel verkündet Trauer und Freude im Jahr der Kirche, sie begleitet Leid und Freude im persönlichen Bereich. Sie ist treue Begleiterin auf dem Wege zu Gott.

Beweglich ist der neue Spieltisch für die Orgel in St. Sebastian. Der Organist kann ihn so auf der Orgelbühne verschieben, daß er bequem zum Altar und zum Chor blicken kann. Unsere Aufnahme zeigt Organist Heinz Spratte an diesem Spieltisch, der drei Manuale hat. Aufn.: Faahsen


Siehe auch: Die Orgeln der Pfarrgemeinde St. Sebastian


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